Beim Forum De:code China haben sich 40 Fachleute im Wissenschaftszentrum versammelt und darüber diskutiert, welche Chancen und Gefahren die Digitalisierung mit sich bringt. Dabei ging es auch um den Austausch europäisch-chinesischer Ideen und Vorhaben. Zu dem Forum hat das Chinazentrum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingeladen.
Kann China das Vorbild für Europa werden?
China als Vorbild? Nicht nur in Deutschland blickt man ungläubig auf das „Land der Mitte“: China hat sich innerhalb weniger Jahre zu einer technologischen Supermacht entwickelt, was vor allem bei der E-Mobilität sichtbar wird. Das ist vor allem für Deutschland bitter, weil man tatsächlich als Autobauer-Nation Nummer 1 abgehängt werden könnte.
Vor allem auch, weil man in Deutschland kritisch gegenüber neuen Technologien eingestellt ist. Das beste Beispiel ist der Bereich des Glücksspiels. Gibt es heute kaum noch einen Anbieter im Bereich des Online Casinos, der kein Live Casino zur Verfügung stellt, wird der live Bereich in Online Casinos mit deutscher Lizenz verboten.
Die deutsche Lizenz für das Online Casino bedeutet, dass es ein Einsatzlimit von 1 Euro gibt und nach jeder Runde eine Pause von 5 Sekunden einzuhalten ist. Zudem gibt es nur Slots. Das erklärt, wieso auch das Interesse nach Casinos ohne Melderegister immer größer wird.
Denn hat das Online Casino keine deutsche Lizenz, sondern operiert mit einer Lizenz aus Curacao oder Malta, dann muss man sich nicht mit diesen Vorgaben auseinandersetzen.
China verfolgt einen völlig anderen Ansatz
Das neue Format im Rahmen des Projekts „ChiKoN – China-Kompetenz im Norden“ hat zahlreiche Akteure aus Wissenschaft, Bildung, Verwaltung und Politik zusammengebracht. Namhafte Experten haben mit Kurzvorträgen Pläne präsentiert, aber auch Aussichten analysiert.
Jana Brokate, die Projektkoordinatorin von ChiKoN, moderierte die Podiumsdiskussion und stellte eine Frage, die durchaus für Gesprächsstoff sorgte: Welche Risiken und welche Chancen stehen die Experten, wenn es darum geht, eine Kooperation zwischen China und Europa herzustellen? In China würde es eine völlig andere Denkweise als bei deutschen bzw. europäischen Unternehmen geben.
Davon sei zumindest Björn Ognibeni, ein in Hamburg ansässiger Unternehmensberater, überzeugt, der auch zugleich der Gründer des Online Thinkthanks ChinaBriefs.io ist. „Dort fragen die Entscheider, ‚wie‘ man Ziele erreichen könne, nicht ‚ob‘“, so Ognibeni. In Deutschland würde man ständig „nein, das geht nicht“, hören, weshalb die Innovation behindert wird.
„Unsere Einschätzung, dass nur kleine, schlagkräftige Start-ups schnell seien, wird dort nicht geteilt“, so Ognibeni, der darauf verwies, dass in China ein völlig anderes Entwicklungstempo gefahren werde. Vor allem würden hier die großen Konzerne viel schneller eine Entscheidung treffen. Des Weiteren ist man im „Reich der Mitte“ überzeugt, man sei nie mit der technologischen Entwicklung fertig. Diese werden wie eine Kultur der ständigen Innovation gepflegt.
Ein Ansatz, der durchaus für Europa interessant sein könnte. „Wir müssen uns manchmal von alten Technologien verabschieden, um etwas komplett Neues entstehen zu lassen“, so Ognibeni. Ein gutes Beispiel sei Huawei: Das Unternehmen hat ein neues Betriebssystem für die Smartphones eingeführt, mit dem dann mit Autos und Verkehrssysteme wie Ampelschaltungen kommuniziert werden kann.
China ist der beste Innovationspartner
„Etablierte Unternehmen in Deutschland machen das, was sie schon immer gut können, sehr lange weiter. Es fehlt der Spirit und häufig auch das Geld für umwälzende Innovationen“, so Professor Dirk Nowotka, der Sprecher des Digital Science Centers der CAU. Vor allem würden Neuentwicklungen durch zu viele Gesetze und Regelungen behindert werden.
Wendy Chang, Analystin beim Mercator Institute for China Studies in Berlin, ist überzeugt, dass es durchaus gute Chancen auf eine Zusammenarbeit zwischen China und Europa bzw. Deutschland gibt. Zwischen den Jahren 2017 und 2022 hat das Institut knapp 37.000 englischsprachige, KI-relevante gemeinsame Forschungsarbeiten identifiziert.
Aufgrund der Tatsache, dass China zu einem den führenden Akteur im Bereich der KI-Forschung wird, entwickelt sich der Technologie- sowie Wissenstransfer mit China eher zu einer Einbahnstraße. „Europa hat ein klares Interesse daran, mit China in Bereichen zusammenzuarbeiten, in denen das Land bereits führend ist oder bald führend sein könnte“, so Wendy Chang.
Aber wieso ist China derart gut aufgestellt und Europa bzw. Deutschland hinkt nach? Die Antwort gab Michael Laha, der China-Forscher bei Sinolytics, einem Beratungsunternehmen, das in erster Linie europäische Firmen berät, wenn es darum geht, die strategische Ausrichtung sowie Geschäftsaktivität in China zu planen.
So würde die Kommunistische Partei Chinas die Ziele der wissenschaftlichen Forschung sehr eng und nationaler setzen. Das steht natürlich in Konflikt mit den Grundsätzen der internationalen Zusammenarbeit und Offenheit, die den Großteil der europäischen Forschung bestimmen.
Dennoch: China ist der Innovationspartner schlechthin und wird das in Zukunft bleiben. Jedoch müssen europäische und deutsche Unternehmen sowie forschende und sonstige Innovationsakteure die wechselnden Prioritäten der chinesischen Finanzierungsprogramme und Technologie verstehen lernen.